Ein ideales Gefäß

Allen Wienern und Wienreisenden empfehlen wir einen cineastischen Trip durch jene Zeitsphäre, als der „revolutionäre Aufbruch der filmischen Moderne der 60er Jahre nahtlos in das kommerzielle Unterhaltungskino übergeführt wurde“. Das Österreichische Filmmuseum startet die neue Saison mit dem „ersten Versuch weltweit, das Phänomen Giallo im großen Maßstab – mit über 40 ausgewählten Filmen… zu erforschen.“ Alles weitere erklärt Filmmuseums-Kurator und SGE-Autor Christoph Huber. Zur Erinnerung/Ergänzung: Über den legendären Giallo-Kongreß 2015 in Rom berichtete Ulrich Mannes in SGE # 27 und für Artechock

80/34-35

Und dann müssen wir unbedingt noch zwei Geburtstage nachfeiern. Letzten Sonntag, am 25. August, beging der Staatsschauspieler, mehrfache Hörbuchpreisträger und SGE-Glamour-Boy Peter Fricke, den wir in SGE # 14 mit einem Glamour Boy spezial ehrten, seinen 80sten Geburtstag (hier eine der besten Folgen von DER ALTE mit PF). Ebenfalls 80 Jahre wurde am Sonntag SGE-Glamour-Girl Dagmar K0ller, die in den 6oern und frühen 70ern „jung war, modern, frech, und sexy, österreichisches Vaudeville verkörpernd“ (vgl. SGE # 5).

„Wenn ich mich sicher fühle, ist es leicht, die Hosen runterzulassen.“

Leider verpaßt haben die rasenden SGE-Reporter das 7. Filmfestival von Kitzbühel („ist vor allem eines: jung, kreativ und vielseitig“), auf dem letztes Wochenende Otto Schenks Kino-Adaption von Arthur Schnitzlers REIGEN (Regieassistent: Sig(g)i Götz-Rothemund) zu sehen war. Anlaß war der Ehrenpreis des Festivals für Helmut Berger. Die Tiroler Tageszeitung lud zum Gespräch. „Für Schenk war Berger ein Geschenk: ‚Wir waren süchtig nach Natürlichkeit, vielleicht, weil wir von unserem Umfeld damals mit vielem gefüttert wurden, aber nicht mit Natürlichkeit.‘ Dieses Direkte, Ungekünstelte habe er filmen wollen, sagt Schenk. Bei Berger habe er danach gar nicht suchen müssen: ‚Jede Bewegung, jeder Satz, alles war ganz selbstverständlich: Wenn die Kamera lief, waren Helmut und seine Figur identisch.‘ Oder, in Helmut Bergers Worten: ‚Es ist ganz einfach: Wenn ich mich sicher fühle, ist es leicht, die Hosen runterzulassen.‘ Genau diese Sicherheit habe er während seiner Laufbahn immer wieder vermisst.“ PS: Heino und Hannelore wurden lt. Bild auch gesichtet.

Von Ulm in die weite Welt

Er hatte „brutal eisene Nerven“, die Filmkritik war für ihn das „absolute Feindbild“ und er konnte locker damit leben, daß (bzw. wenn) sich Blacky Fuchsberger seine Filme nicht mehr anschaut. Vor 22 Jahren (als es noch kein SGE gab) unterhielten sich Ulrich Mannes und Hans Schifferle mit Eckart Schmidt. Heraus kam ein unterhaltsames Interview, das damals in der Kinozeitschrift 24 erschienen ist. Jetzt kann man es im Rahmen eines ES-Specials bei Critic.de nochmal lesen.

Trotzdem Filmgeschichte

Das Münchner Werkstattkino präsentiert ab heute zwei Wochen lang unter seinem Sommerlabel „Bernd & Dolly zeigen“ sogenannte „One-Film-Wonders“, wundersame Filme von Regisseuren, die (bisher) mit nur einem Film Aufmerksamkeit bekommen haben. Es gibt zu sehen: Filme von Hiroaki Yoshida, Charles Laughton, Herk Harvey, Wisit Sasanatieng, Frank Henenlotter, Marlon Brando, Richard Kelly, Samuel Beckett, Allan Schneider, Yukio Mishima, Jean Genet, Barbara Loden, James William Guerico, Chris Bernard, Peter F. Brinkmann und von Rainer Knepperges, der sich heute und morgen dem Publikum stellen wird.

Parapsychischer Veranstaltungstip

Heute um 20 Uhr im  Werkstattkino: die zweite Late Night Film Lecture im Rahmen der Filmkunstwochen München. SGE-Autor Benedikt Eppenberger referiert über Helmut Förnbacher (vgl. SGE # 31): Parapsycho, Schuld und Sühne. Wir zitieren aus der Ankündigung: „Die Hauptrolle in Peter Schamonis SCHONZEIT FÜR FÜCHSE (1966) trug dem Schweizer Schauspieler und Regisseur Helmut Förnbacher (FORELLENHOF, JERRY COTTON – SCHÜSSE AUS DEM GEIGENKASTEN, ST. PAULI ZWISCHEN NACHT UND MORGEN) einige Street Credibility ein beim jungen deutschen Film; so viel, dass er sich 1968 mit SOMMERSPROSSEN selbst als Auteur versuchen wollte. Um die Schulden abzustottern, die ihm der Genrebastard mit Italowestern-Star William Berger, Helga Anders und Größen des Schweizer Dialektfilms einbrachte, ging Förnbacher mit HEINTJE­–Filmen, EINE ARMEE GRETCHEN oder PARAPSYCHO – ­ SPEKTRUM DER ANGST durch sämtliche Trashfilm-Höllenkreise, bis er schließlich ins Paradies des deutschen Vorabendfernsehens („Unser Charly“) aufsteigen durfte. Eine Late Night Film Lecture zur Karriere eines etwas anderen Achtundsechzigers.“ Und anschließend, um 22 Uhr, läuft einmalig: SOMMERSPROSSEN.

Sommerlicher Lektüretip

„Ob gut oder schlecht, scheint uns mit Blick auf die deutschsprachige Filmgeschichte und ihre Werke nicht die Frage…“, heißt es im Editorial des aktuellen Filmblatts (herausgegeben von CineGraph Babelsberg), das wir als Komplementärmagazin zu SGE schon mehrmals empfohlen haben. Die Doppelnummer 67/68 (Frühjahr 2019) ist wieder eine tolle Fundgrube und belegt, daß die Revision des 50er Jahre-Kinos noch längst nicht abgeschlossen ist. Diesmal analysiert Hans J. Wulff die „konservative Satire“ DIE FRAUEN DES HERRN S. von Paul Martin und mit Sonja Ziemann und Paul Hörbiger (als Sokrates); Stefanie Mathilde Frank vergleicht Géza von Radványs Remake MÄDCHEN IN UNIFORM  (1959) mit dem Original aus den frühen 30er Jahren; Rolf Aurich und Ralf Forster nehmen den Kompilationsfilm DAS GAB’S NUR EINMAL auseinander (als „Filmgeschichte im Medienpaket“); Lukas Foerster beschäftigt sich mit dem SGE-Kanon-Film BARBARA – WILD WIE DAS MEER von Frank Wisbar (und wir erfahren, daß 1997 ein Remake gedreht wurde). In weiteren Artikeln geht es um den „Kontrahenten“ Defa (z.B. um das ostdeutsche Cinemascope namens „Totalvision“), um  die  Berlinale-Retro 2019 („Von wegen ‚Schätzchen'“) und um noch vieles andere mehr…

Bizarrer Veranstaltungstip

Im Rahmen der Münchner Filmkunstwochen läuft heute um 21:30 Uhr im Bahnwärter Thiel die erste Late Night Film Lecture. Graf Haufen aus Berlin referiert über Bizarre Kinder-Shows. Wir zitieren aus der Ankündigung: „Verstörende, bizarre oder psychedelische Kinderprogramme flimmerten seit den 1960er Jahren über die Bildschirme der heimischen Fernseher. Da waren Männern im Anzug zu sehen, die in Puppenhäusern mit Robotern, sprechenden Fenstern und Magic Screens wohnen („Pee-wee‘s Playhouse“), ein Junge, den es auf eine Insel voll sprechender Bäume, singenden Fröschen und einem hilfeichen Drachen verschlug („H.R. Pufnstuf“), und dämliche außerirdische Vögel, die einen neuen Planeten suchten („Les Shadoks“). Und eine Affen-Band („Lancelot Link“). Und Handpuppen als Vermittler christlicher Werte („Jr. Christian Bible Lesson“.) Kurz: Die Welt ist voller Wunder! Vielleicht sind diese Kleinode ja auch daran Schuld, dass einige von den Zuschauern später zu Fans des Bizarren geworden sind?!“